Was man in Graz im Herbst entdecken kann: Insider-Tipps
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- Kulturgenuss im Grünen, Herbst
Als langjährige Stadtführerin, die Kunstgeschichte studiert hat, kennt sie die Kulturhauptstadt und City of Design Graz bestens. Wo es die schönsten Ruheplätze gibt, was man in Graz abseits der üblichen Sehenswürdigkeiten besuchen sollte und was Graz kulturell ausmacht, diese „Insider-Einblicke“ gewährt uns Claudia Kastner im Interview.
Liebe Frau Kastner, Sie begleiten – wie viele der Grazer Stadtführer – Gäste zu Entdeckungstouren. Warum sollte man Graz kulturell entdecken? Was macht diese Stadt so spannend für einen Städtetrip?
Claudia Kastner:
Also, das Spannende an Graz ist für mich – natürlich seine kulturelle Vielfalt. Es gibt so vieles zu entdecken. Neben der Stadt selbst mit ihren beeindruckenden Gebäuden aus den unterschiedlichen Epochen bis in die Moderne .... dem Charme mittelalterlicher Gässchen und den romantischen Innenhöfen ... hat der Gast auch die Möglichkeit ein reiches Angebot der Kreativ- und Kulturszene zu besuchen.
In Graz: Da steht altehrwürdiges Kulturerbe neben zeitgenössischer Architektur und Kunst… Das macht es für Kulturbegeisterte so interessant. Da spiegeln sich etwa die Kirchtürme im Kunsthaus Graz, dem friendly alien. Oder man sieht zugleich auf den geschichteumwobenen Schlossberg, wenn man im Kunsthaus Graz aus einer futuristischen „Needle“ blickt. Und natürlich auch das Joanneumsviertel, in dem die historischen Bauten der Museen durch spannende moderne Architektur verbunden wurden.
Dass in Graz die Kultur- und Kreativszene erstaunliche Arbeit leistet, das untermauern die beiden Titel „City of Design“ und „Kulturhauptstadt“. Was zeichnet diese Stadt im Herbst kulturell besonders aus?
Claudia Kastner:
Ja, genau! Der Titel „City of Design“ passt hervorragend zu Graz. Designshops und kreative Geschäfte findet man ringsum, vor allem im Lendviertel kann man hier viele kleine, feine „styrian products“ entdecken. Auch auf der Murinsel, für sich allein schon ein Designobjekt, gibt es einen kleinen Shop in dem lokale Kreative ihre Produkte anbieten.
Was zum kulturellen Herbst in Graz unbedingt gehört? Das Festival „steirischer herbst“. Dessen kreativer Geist ist unter anderem seit über 50 Jahren in der Stadt.
Dieses Jahr reagiert das Festival auf die Ängste und Unsicherheiten der heutigen Zeit und erfindet sich als Medienkonzern in „Paranoia TV“ neu. In der Herrengasse gastiert das Festivalzentrum des steirischen herbst. Dort kann man den Avatar von Sigmund Freud kennenlernen, der den Gästen mögliche Lösungen auf Probleme geben kann :) Im Anschluss kann man durch die Herrengasse schlendern und hier auch gleich die Einkäufe erledigen. Am Eisernen Tor wartet ein besonderer Fotoapparat des Festivals auf die Gäste. Unbedingt hineinsetzen und ein Foto machen lassen!
Zudem gibt es auch immer wieder Kunst im öffentlichen Raum zu entdecken – beispielsweise im Lesliehof, etwa von Josef Kosuth, der das Naturkundemuseum mit einer Neonschrift auf der Fassade verbunden hat.
Wer in Graz unterwegs ist, der hat es auch in die Umgebung der Stadt nicht weit. Welche Plätze kann man bei einem Städteurlaub in Graz gemütlich „im Grünen“ besuchen? Wo sind die besten „Ruheplätze“ außerhalb von Graz … also „Bankerl“, auf denen man sich nach einer Innenstadt-Runde entspannen kann?
Claudia Kastner:
Viele private Gärten, öffentliche Parkanlagen und Wälder prägen das Stadtbild von Graz. Rund 60% der Stadtfläche sind mit Grün bedeckt. In der Innenstadt bietet sich die Rast in einem der beschaulichen Innenhöfe der Altstadt an, beispielsweise im Franziskanerkloster. Dieser Hof ist ein Ort der Stille inmitten der geschäftigen Altstadt. Teile des Klosters stammen noch aus dem 13. Jahrhundert, als die Franziskaner sich in Graz niederließen.
Und mein Tipp, wenn man das Spazieren gleich mit einem UNESCO Welterbe verbinden möchte: Das Schloss Eggenberg des Universalmuseum Joanneum.
Zum Verweilen und für einen ausgedehnten Spaziergang lädt nämlich hier der Eggenberger Schlossgarten im Norden der Stadt ein. Die zahlreichen, herumstolzierenden Pfauen bieten ein zusätzliches Vergnügen. Ein Kulturausflug ins Grüne also. Übrigens: Die Wochenenden im Oktober 2020 stehen ganz im Zeichen des Schlossparks, seiner Geschichte und seiner prachtvollen Herbstfärbung. An ausgewählten Samstagen und Sonntagen gibt es vormittags geführte Herbst-Parktouren.
Noch ein besonderes idyllischer Platz… Da kann ich empfehlen: Das Österreichische Freilichtmuseum in Stübing. Das ist in einem malerischen Tal gelegen. Die rund 100 historischen Bauten geben einen Überblick über die Architekturlandschaften der unterschiedlichen Regionen. Aufgrund seiner vielfältigen Naturlandschaft ist das Gelände als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Verraten Sie uns Ihren Lieblingsplatz?
Claudia Kastner:
Im Augenblick ist das definitiv der Herbersteingarten, der sich unterhalb des Uhrturms befindet. Einst konnte man diesen Garten vom gleichnamigen Palais in der Sackstraße aus erreichen. Auf Grund seiner Südlage wurde hier früher Wein angebaut und heute wachsen hier mediterrane Pflanzen. Ein echtes Juwel und der herrliche Blick über die Grazer Ziegeldächer begeistert mich immer wieder aufs Neue.
Noch bis Ende des Jahres steht hier das Wächterhäuschen des Stadtwächters, in dem jeweils zu Sonnenauf,- und zu Sonnenuntergang eine Person über Graz wacht. Dieses Projekt „the vigil graz“ wurde im Rahmen des Kulturjahres 2020 von La Strada, einem Kulturveranstalter, realisiert. Diesen Platz sollte man in Graz heuer wirklich einmal gesehen haben…
Anmerkung: Dieses Projekt wurde in der Zwischenzeit abgeschlossen. :-)
Welche Geschichte erzählen Sie Graz-Urlaubern am liebsten? Was wissen nur wenige über Graz?
Claudia Kastner:
Diese Frage ist wirklich schwierig! Da Graz sehr vielfältig und an Geschichte so reich ist. Also: Am Herzoghof in der Herrengasse geht man bei jedem Innenstadt Besuch vorbei. Wenige Leute wissen, dass der Landesfürst in diesem Gebäude einst die Lehen an seine Untertanen vergab, daher der Name. Schon im 17. Jahrhundert wurde die Fassade von dem bedeutenden italienischen Architekten und Maler Giovanni Pietro de Pomis gestaltet und dann vom Vorauer Maler Johann Mayer im 18. Jahrhundert übermalt. Sie ist die einzige in dieser Art erhaltene Fassade Österreichs und zeigt römische und griechische Göttinnen und Götter. Man kennt das Haus auch unter dem Namen „gemaltes Haus“.
Das Interview mit Ihnen war uns eine Freude, durch die historische Stadt Graz werden wir jetzt sicher noch aufmerksamer spazieren – mit Blick auf die Details wie Fresken, Kunstwerke und Häuserfassaden. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag!
Claudia Kastner:
Danke, die Freude war ganz meinerseits :)
3 Tipps für zukünftige Graz-Besucher:
Grazer Stadtführungen von Abendrundgängen bis zur kulinarisch-vegetarischen Tour:
- Klassisch schön etwa, die Innenhof-Tour (Ende Mai bis Ende Oktober)
- Für Feinschmecker und Genießer: Der kulinarische Rundgang am Samstag (bis November)
- Hipster und Kreative werden hingegen den Lendviertel-Rundgang spannend finden (bis Ende Oktober)