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Über die Zeit zwischen den Jahren: Raunächte im Ausseerland

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  • Tradition & Brauchtum
Insgesamt sind es zwölf Nächte im Jahr, die laut Überlieferungen nicht ganz zuordenbar sind und somit als Zeit zwischen den Jahren gelten. Die einen sehen diese Nächte als Chance, das eigene Heim oder die Seele zu säubern. Andere erkennen die Raunächte als unheimlich und dunkel. Wir haben nachgefragt, was diese Nächte so besonders macht und warum die Perchtnacht am 5. Jänner als die „haftigste“ Raunacht gilt.
Rollen wurden getauscht

„Die Raunächte gehen auf die zwölf vorchristlichen Saturnalien der Römer zurück“, erklärt die Ausseer Brauchtumsexpertin Monika Gaiswinkler. Die Saturnalien waren in der Römerzeit ein bedeutendes Fest zu Ehren des Gottes Saturn, das über mehrere Tage im Dezember gefeiert wurde. Das Besondere an diesem Fest: Die sozialen Normen und Hierarchien wurden vorübergehend aufgehoben – Sklaven und Herren tauschten also symbolisch ihre Rollen, feierten ausgelassen und die Menschen beschenkten sich gegenseitig.

Die Ausseer Kräuterpädagogin Natalie Pürcher sieht in den Raunächten ebenfalls eine besondere Zeit: „Ich bin am Bauernhof aufgewachsen und es war Tradition, dass wir Kinder immer am Heiligabend mit unserem Opa räuchern gegangen sind“. Dafür verwendeten sie traditionell Weihrauch, Asche direkt aus dem Ofen und einen Tannenzweig. Natalie erzählt, dass sie damit durchs Haus, über den Hof und in den Stall gegangen seien. Durch ihre Ausbildung zur Kräuterpädagogin vor sechs Jahren und „meiner Liebe zu Kräutern und Wildkräutern“ erhalte sie diese Tradition aufrecht.

Für Natalie beginnt das Räuchern jedes Jahr mit Beginn der Zeitumstellung und Allerheiligen. Besonders in den Raunächten „betreibe ich das Räuchern intensiv, das beansprucht viel Zeit“, schmunzelt die 31-Jährige. Die Ausseerin erzählt, dass sie sowohl beim Yoga-machen gerne Kräuter auf das Stövchen – einem Teelicht mit einem Sieb – lege, als auch im Haus räuchert, wenn etwa ihre Kinder krank sind oder „schlecht schlafen“.

Raunächte: Zwoa foast‘ – zwoa dürr‘

Im Ausseerland ist von vier Raunächten die Rede: Beginnend mit der Thomasnacht am 21. Dezember, dem Heiligen Abend am 24. Dezember bis zur Silvesternacht am 31. Dezember und schließlich die Perchtnacht am 5. Jänner. „Die meisten Bräuche von früher lassen sich auf Hunger zurückführen“, erklärt Monika. Die Adventszeit sei eine Fastenzeit gewesen, denn „im Winter wuchs nichts, man musste mit seinen Vorräten über den Winter kommen und somit sparen“. Mit dem Christtag am 25. Dezember endete die Fastenzeit: „Früher ging man von der Christmette am 24. Dezember nachhause und es gab Fleisch zu essen“. Daher spreche man von den ersten beiden Raunächten im Dezember als die dürren und die anderen beiden seien die foasten – also fetten – Raunächte. 

Warum gilt die Raunacht am 5. Jänner als die unheimlichste?

„Stell dir vor, es ist dunkel und gibt keine Straßenbeleuchtung, keine Schneeräumung, der Wind weht und du musst durch den Wald gehen“, stellt Monika in den Raum. Nach den Überlieferungen zog Frau Percht mit allen Seelen, die nicht bestattet werden konnten durch die Straßen. Verschleiert, denn niemand durfte sie sehen. Dies gehe laut Monika auf die Keltenzeit zurück, denn damals habe man nichts mehr gefürchtet, als dass Personen nicht heimkehren und deshalb ein Angehöriger nicht bestattet werden konnte. An Allerheiligen ehren wir die Toten – die, die nicht bestattet werden konnten galten somit als unheimlich und zogen mit Frau Percht umher, erzählt die Ausseerin. Versuchte man zu erkennen, wer die Gestalten und Frau Percht waren, erstarrte man augenblicklich zur Salzsäule – und wurde erst ein Jahr später wieder erlöst. So die Erzählung.

Trotz ihrer unheimlichen Gestalt sollen Frau Percht und ihr Gefolge Glück und Segen für Haus und Hof bringen. Sie ziehen durch die Nachbarschaft und statten den (Bauern-)Häusern einen Besuch ab, kontrollieren, ob die Stube „in Ordnung – sprich sauber – gehalten“ werde und wurden anschließend mit Branntwein und Krapfen bewirtet. Krapfen deshalb, weil sie einfach herzustellen, gut haltbar und in Milch getunkt sehr nährreich seien, so Monika.

Was hält das kommende Jahr für mich bereit?

Die Raunächte galten auch immer als „Glöcklnächte, die die Zukunft ansagen“. Eine laut Monika "tolle" Überlieferung erzähle von zwei Mägden, die „in so einer Heiligen Nacht“ geglöckelt – also in die Zukunft geschaut – hätten, um herauszufinden, ob sie im kommenden Jahr heiraten und somit versorgt würden.

Einen Blick in die Zukunft werfen

Verschiedenste Bräuche in den Raunächten sollen also die Zukunft voraussagen. Etwa in der Lösslnacht – der Silvesternacht: Laut Monika gab es den Brauch, am Küchenboden sitzend einen Datscha, einen Hausschuh, nach hinten zu werfen. Zeigt er zur Tür, hieße das, man würde im kommenden Jahr heiraten. Zeigt er ins Hausinnere, bleibe man noch ein Jahr zuhause.

„Diesen letzten Wunsch soll man selbst in die Hand nehmen und sich bis zum nächsten Jahresende erfüllen.“

Auch Natalie pflegt Raunachtsbräuche. So will sie heuer bereits zum dritten Mal ihre Raunachtswünsche aufschreiben. Dafür soll man sich am 24. Dezember die Zeit nehmen und 13 Wünsche auf kleine Zettel aufschreiben. Die Zettel sollen zusammengefaltet in ein großes Gefäß geworfen werden. In jeder Raunacht dürfe „ein Zettel gezogen, aber nicht angeschaut“ werden, erklärt die Kräuterexpertin. Anschließend übergebe sie den jeweiligen Wunsch an die Götter und das Universum und bittet darum, „dass sich diese meines Wunsches annehmen mögen“. Anschließend verbrennt Natalie den Zettel. In der letzten Raunacht bleibe dann der 13. Wunschzettel übrig: „Diesen letzten Wunsch soll man selbst in die Hand nehmen und sich bis zum nächsten Jahresende erfüllen“, so die Ausseerin.

Räuchermischung für die Raunächte

1 Teil Johanniskraut (steht für Sonne, Licht), 1 Teil Alant (soll Schutz und Segen bringen), 1 Teil Beifuß (für Schutz und Loslassen), 1 Teil Wacholder (Reinigung), 1 Teil Fichtenharz (für einen Neubeginn) und 1/2 Teil Mistel (für den Blick in die Zukunft)

 

ACHTUNG: Schwangere und Kinder sollten nicht räuchern, um die Dämpfe nicht einzuatmen!