Die Frauenmauer bei Palfau
Am unteren Gamsstein ist ein Felsen, die "Frauenmauer" genannt. Als eines Abends der Schafhirte von der Rinntaverne an diesem Felsen mit seiner kleinen Herde vorbeizog, drängte sich eines seiner Lämmer zur Wasserquelle, die aus dem Felsen sprudelte, um zu trinken. Da zeigten sich auf einmal drei schöne, weißgekleidete Bergfrauen. Eine davon begehrte das jüngste Lämmlein. Der Hirte willigte auch ein und gab es ihr. Auf das hin öffnete sich die Felsenmauer und ein herrliches Schloss war zu sehen. Zwei weißgekleidete Diener führten den Hirten in den prächtigen Saal, dessen Wände wie Kristall glänzten. In der Mitte saßen die drei Bergfrauen. Auf dem Tische stand eine goldene Schüssel, darin lag ein gebratenes Lamm. Davon mußte nun der Hirte mit ihnen essen, durfte dabei aber auf kein Knöchelchen beißen. Der Schafhalter wurde aber von der Pracht des Saales und dem stummen Benehmen der drei Bergfrauen so verwirrt, daß er auf diese Warnung vergaß und auf ein Knöchelchen biß. Da erbebte aber sofort unter lautem Donnerschlag der ganze Berg und der Hirte stand wieder mit seiner Herde vor der Felsenmauer und glaubte, geträumt zu haben. Er zählte seine Schafe und fand auch das jüngste wieder dabei, doch es hatte ein gebrochenes Füßchen und hinkte.
Als er mit seiner Herde ins Dorf kam, sah er überall fremde Menschen und niemand wollte seine Schafe einstellen lassen. Die Dorfleute standen verwundert um den Hirten, der ihnen begreiflich machte, er sei doch von der Rinntaverne und habe nur eine kleine Weile vor dem Gamsstein geschlafen.
Da erinnerte sich ein altes Weiblein, daß ihr einst die Großmutter erzählt habe, der Schafhalter von der Rinntaverne sei mit seinen Schafen nie mehr heimgekommen. Die Bergfrauen hätten ihn verzaubert.