Barbara Frischmuth | © STG | Jesse Streibl Barbara Frischmuth | © STG | Jesse Streibl
💚-Botschafter

Barbara Frischmuth

Barbara Frischmuth, geboren in Altaussee, zählt zu den renommiertesten österreichischen Schriftstellerinnen. Die studierte Dolmetscherin lebte in der Türkei und in Ägypten, in Ungarn und England und hat seit 1999 wieder ihren Wohnsitz im Salzkammergut. Wir sprachen mit der Herzbotschafterin über Auszeichnungen, ihre Heimkehr nach Altaussee und ihren Kraftort.

 

Sie stammen aus einer Hoteliersfamilie, ihre Eltern betrieben ein Hotel am Altausseer See. Ihre Mutter führte später das Brauhaus Reininghaus in Graz. Wird einem da nicht der Gastro-Beruf in die Wiege gelegt?

Man entscheidet sich schon als Kind „dafür“ oder „dagegen“. Und ich habe mich von Haus aus dagegen entschieden, weil ja die Großeltern, der Onkel, meine Mutter und die alle … Und nach dem Krieg war das ja gar nicht so einfach. Die Amerikaner waren zweimal im Hotel und es hat nachher furchtbar ausgeschaut. Denen war halt auch schon fad, der Krieg war vorbei und die sind in diesen verschiedenen Pensionen und Hotels untergebracht worden. Meine Mutter hat sich dann finanziell nie mehr derfangen. Es ist auch schwierig gewesen, weil die Saison viel zu kurz war. Der Gastro-Beruf war also nie eine Option für mich.

Sie studierten in Graz am Dolmetsch-Institut Türkisch und Englisch, später Ungarisch und begannen danach in Wien ein Doktorat-Studium der Turkologie, Iranistik und Islamkunde. Wie viele Sprachen beherrschen Sie tatsächlich?

So gut wie keine mehr. Nein, es ist so, das Türkische und das Ungarische sind agglutinierende Sprachen. Wenn man da nicht dabeibleibt und immer wieder mit jemanden in dieser Sprache spricht, versickert es. Und das geht halt in Aussee nicht. Das muss ich ehrlich gestehen. Ich war neulich wieder einmal in Istanbul - nach ein, zwei Wochen ist man wieder drinnen. Aber wenn Sie mich jetzt plötzlich fragen würden, was heißt das und so, es wäre weg. Und es ist wahrscheinlich auch deswegen weg, weil ich mich seit Jahren mit ganz anderen Themen beschäftige. Eher mit der Natur und mit Tieren. Mit den anderen Welten in der Welt.

Wie kamen Sie zum Schreiben? Wer oder was hat Sie inspiriert?

Ich habe schon als Kind sehr gerne gelesen. Zuerst wollte ich immer, dass man mir vorliest, dann habe ich sehr früh zu Lesen begonnen. Und ich hatte eine Tante, die auch Schriftstellerin war. Leider nicht sehr erfolgreich, aber da wusste ich schon, dass man das machen kann. Also Bücher schreiben und so. Ich habe auch schon in der Volksschule kleine Geschichten geschrieben. Die erste war über eine Wasserleiche. Naja, wir haben ganz nah am See gewohnt und das war für uns etwas, was natürlich schon immer wieder einmal passiert ist. Während der Pubertät hatte ich anderes zu tun. Ich habe dann erst so um die 17 wieder angefangen und ich war noch nicht 19, als das „Forum Stadtpark“ langsam entstanden ist. Naja, und dann bin ich für ein Jahr in die Türkei gegangen. Und als ich zurückkam, war das „Forum Stadtpark“ sozusagen schon in der Arbeit.

Erste Gedichte von Ihnen erschienen 1962 in der Zeitschrift „manuskripte“, Sie waren Gründungsmitglied des Forum Stadtpark. Wie sind die Erinnerungen an damals, zum Beispiel an den jungen Peter Handke.

Der Handke ist ja erst nach uns gekommen. Den habe ich erst kennengelernt, als ich dann wieder aus der Türkei zurückgekommen bin. Ja, wir waren eine Zeit lang sogar sehr gut befreundet. Es war halt so, dass mich dann später alle gefragt haben, „mein Gott, die einzige Frau“ - mir ist das gar nicht aufgefallen. Es ging ja um die Gedichte, die man geschrieben hat. Nicht, ob man Frau oder Mann war. Ich war halt die Einzige, die wirklich geschrieben hat. Es waren viele Mädels dort, aber das waren dann eher Groupies oder Leute, die sich dafür interessiert haben. Aber beim Schreiben war ich eine Zeit lang die Einzige. 

Barbara Frischmuth | © STG | Jesse Streibl
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„Der See ist für mich das Größte“

Sie lebten in der Türkei und in Ägypten, in Ungarn und England, Ihre Auslandsaufenthalte führten Sie aber auch nach China, Japan und in die USA, wo Sie in Ohio und St. Louis Vorlesungen hielten. War diese Rastlosigkeit der Neugierde auf fremde Kulturen geschuldet?

Es stimmt nicht ganz. Weil z. B. in Ägypten war ich nicht so lange, sondern immer nur eine kürzere Zeit. Ich habe mich aber sehr für die Kultur interessiert und auch ein Buch geschrieben – das hieß „Vergiss Ägypten“. Ich meinte damit, dass man sich für die Ägypter interessieren soll und nicht nur für die Kunst und Kultur. Am öftesten war ich natürlich in der Türkei, weil da habe ich ja eine Zeit lang studiert. Und ich bin mindestens zwölf Mal zu Lesungen in Amerika gebeten worden. Dort gab es an den Universitäten ja viele Germanisten. Von denen sind sogar Bücher über mich geschrieben worden. In England war ich schon sehr früh, weil der beste Freund meines Vaters Engländer war. Mit 14 bin ich allein nach London, weil meine Großmutter gesagt hat, sie muss Englisch lernen. Ansonsten war ich halt immer lesend unterwegs – in Indien, in Japan, in China und vielen, vielen Ländern. Es war für mich eigentlich sehr interessant, weil ich sehr schnell draufgekommen bin, dass das Lesen dort wenig Sinn hat. Weil die Studenten die Bücher nicht haben oder sich auch keine leisten können. Und genau wissen, dass sie höchstens Kellner werden können. Ich habe dann immer sehr schnell die Texte liegenlassen und mit ihnen gesprochen. Und da habe ich sehr viel gelernt.

Stand für Sie jemals zur Debatte, für immer in einem anderen Land zu leben. Wenn ja, in welchem?

Die Türkei wäre beinahe so etwas geworden. Aber ich wollte mich nicht mit irgendjemanden verbinden, sondern ich wollte in erster Linie schreiben. Und dann bin ich halt wieder zurück. Ich war sehr neugierig als Kind und weil ich in einem Hotel aufgewachsen bin, habe ich natürlich viele Leute kennengelernt. Vor allem die Kinder. Die Gäste sind gekommen und wir hatten eine Kinderfrau. Und diese sollte sich mit uns Kindern beschäftigen. Und da haben wir sehr schnell schon ein paar Wörter Englisch und Französisch gelernt. Das hat schon gereicht, damit wir uns verständigen konnten. Ich bin ja bis zu meinem 10. Lebensjahr nur in Altaussee gewesen. Und da kommt einem das dann schon so vor – Berge, Berge, Berge. Man will aber mehr wissen als bei Schneewittchen. Man möchte ein bisserl drübergehen. Dann war ich bald in England und auch in Schweden. Meine Großmutter hat schon immer geschaut, dass ich in die Welt komme.

Sie sind Schöpferin vitaler Frauenfiguren und bemühen sich unter anderem stets um Vermittlung zwischen Orient und Okzident. Die Bandbreite ihrer Werke erstreckt sich über Romane, Erzählungen, Essays, Hör- und Fernsehspiele bis hin zu Kinderbüchern und literarische Gartenbücher. Womit wir wieder in Altaussee wären, in Ihrem Garten, der Stoff für Ihre Gartengeschichtenbücher lieferte. War klar, dass Ihre Heimkehr nach Altaussee 1992 eine Rückkehr für immer sein sollte?

Nein, das war eher so, dass mein zweiter Mann und ich dachten, so ein Sommerhaus wäre eigentlich ganz gut. Und aus dem Sommerhaus ist dann ein Haus geworden. Und nachdem ich dann immer hin und her gependelt bin – mein Mann war ja Arzt in München – habe ich mir gedacht: Jetzt habe ich eh schon mehr als die Hälfte der Bücher in Altaussee geschrieben. Und es wäre auch für ihn besser, weil es nicht so weit ist. Und irgendwie war mir dann klar - also Aussee.

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Was macht die Magie von Altaussee aus? Was macht die Gegend und die Menschen so besonders?

Also von der Magie würde ich ein bisschen absehen. Weil die meisten Altausseer sehen halt die Kramperl oder sonst irgendetwas als Magie an. Die Magie muss man sich selbst im Kopf darstellen. Von Magie habe ich in meiner Heimat nicht allzu viel wahrgenommen. Für mich war der See immer das Größte und das Wichtigste. Nicht die Berge. Ich habe die Berge gerne angeschaut, aber ich bin nicht viel auf die Berge gekommen. Erstens, weil in meinem Umfeld fast nie Leute waren, die gerne klettern. Ich finde sie wunderschön, aber ich muss nicht unbedingt rauf. Während beim See ist es so – da muss ich immer wieder rein. Der See ist für mich - wenn schon Magie - der magische Ort.

Gibt es - abgesehen von ihrem Garten - einen ganz besonderen Kraftort für Sie?

Ja, es ist die Weststeiermark, wo wir seit über 20 Jahren jedes Jahr auf Urlaub hinfahren. Da gehe ich immer schon sehr früh schwimmen, weil da der Teich beim Rauchhof noch klar ist. Erstens sind die Leute sehr nett, zweitens ist die Gegend einfach sehr schön. Ich bin übers Lesen hingekommen. Weil der Gruber, mein Kollege… Und da gab es einen sehr literaturaffinen Bürgermeister und die haben jedes Jahr im Sommer einen Schriftsteller eingeladen. Das war für mich überhaupt das Paradies. Das war der erste Urlaub, den ich je in meinem Leben hatte.

Wie würden Sie einem Blinden ihren Heimatort erklären?

Blinde können ja gut riechen und gut tasten. Also ich würde ihn auf jeden Fall zum See führen. Zum Wasser. Auch wenn er nicht schwimmen kann, würde ich ihn bitten, mit den Beinen hineinzugehen. Und der Geruch – es ist ja fast alles Wald rundherum.

Wie nehmen Sie als kritischer Geist die Steiermark wahr?

Aussee hat ja bis 1948 zu Oberösterreich gehört. Ich muss sagen, ich bin lieber in der Steiermark. Nur keine Hymnen, aber ich finde, die Steiermark ist auch sehr divers. Es ist ja nicht alles so wie in Aussee, nur Berge. Es gibt auch flache Gegenden. Ich bin gerne in der Steiermark. Aber ich denke nicht immer darüber nach, was besonders ist. Man erlebt es ja, wenn man dort lebt. Graz ist eine meiner Lieblingsstädte.

Sie haben alle wesentlichen Literaturpreise und Auszeichnungen erhalten, aber auch das Land hat Sie für ihr Lebenswerk gewürdigt. 2019 erhielten Sie den Ehrenring des Landes Steiermark. Wie sehr fühlen Sie sich geehrt?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich früher einmal gesagt habe, ich brauche so etwas nicht. Und dann ist mir aufgefallen, dass ich, wenn ich so etwas entgegennehme, die Chance habe, auch etwas dazu zu sagen. Und zwar direkt zu den Leuten, die es betrifft. Also Politiker. Und das habe ich mir dann angewöhnt und habe dann doch immer ja gesagt. Ich bin keine Aktivistin, aber über gewisse Dinge will ich reden, weil sie mich sehr stören. Wenn man ausgezeichnet wird, darf man auch sagen, was einem nicht gefällt. Und das war die beste Chance dafür.

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Wordrap

Leben.

Garten.

Neugierde.

Es gibt einige.

Jede Menge.

Singen können.

Beck.

Garnelen.

Lilie.

Die Äpfel.

Der Wald.

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