Lieber Herr Seberg, eine kleine Schleimspur zum Einstieg: Das Feuilleton hat Sie einen „schlagfertigen, frechen Schelm“ getauft. Zufrieden mit dieser Beschreibung?
Sehr zufrieden. Nicht ganz zufrieden. Was sie vergessen haben ist naiv, patschert und leicht belämmert. Aber sonst trifft es hoffentlich zu.
Sie verbrachten Ihre Kindheit in einer wenig schmuckvollen Gegend in Graz - in der Triestersiedlung. In einem sehr berührenden Porträt schildern Sie eine Lebensschule in einer prägenden Gegend - was war prägend und lehrreich?
Ich glaube die Mischung. Also ich erinnere mich, dass wir glücklichste Kinder waren. Da war so ein kleiner Abhang und dort stand eine Trauerweide und wir sind ganz hoch geschwungen. Und 5.000 Meter unter uns waren Brennnesseln, da sind wir dann reingeflogen. Dann haben wir gleich so Tests gemacht, wie man durch Brennnesseln gehen kann. Dann haben wir irgendwelche Dinger gepflückt, die konnten wir rauchen. Und unsere „Feinde“ haben wir nackt ausgezogen und an den Baum gebunden. Das war die höchste Strafe. Und Brennnessel und Schnecken draufgeben und gehen – und hoffen, dass du am nächsten Tag nicht selbst drankommst. Das war die eine Seite. Die andere Seite war, dass das halt eine Gegend war – heute würde man sagen, wo das Prekariat zu Hause ist. Es gab dort viele Menschen mit geringem Grundeinkommen. Aber so in der Rückschau ist es dann eigentlich klasse, durch diese Art von Schule gegangen zu sein. Und weil die Wohnungen so klein waren, waren alle draußen. Es war eigentlich so ein „Little Italy“, immer alle auf der Straße. Es war eine Art von Zusammenhalt. Das Lustige dabei war, dass die, die tagsüber zusammengehalten haben, am Abend dann ins Auto eingebrochen sind, von dem, mit dem sie tagsüber geredet haben. Das erdet natürlich.
„Zwangsübersiedelt“ seien Sie mit 14 nach Wien geworden, haben Sie einmal gemeint. Das ist jetzt ein Vorgriff auf unsere Steiermark-Fragen. Könnten Sie sich vorstellen, wieder in Graz zu leben?
Ich habe das sogar ernsthaft vor. Es könnte sein, dass mir Wien irgendwann – darf man ordinär reden hier? – so aufn Arsch geht, dass ich sage, ich will wieder nach Graz, weil es für mich schöner ist, weil es näher am Meer ist. Das ist übrigens das einzige Manko in der Steiermark, dass wir kein Meer haben. Die Lebensqualität ist einfach hier größer. Also ich könnte es mir wirklich vorstellen. Lange Zeit konnte ich das nicht, da habe ich mir gedacht, ich kann in Österreich nur in Wien leben. Alles andere ist mir immer viel zu eng und viel zu klein. Aber jetzt habe ich es eh gesehen. Und Meer haben sie auch keines.
Ihre Rolle als Oberstleutnant Nowak in ,,Soko Donau“ hat wesentlich zu Ihrer Popularität beigetragen. Dort hätten Sie locker in Pension gehen können, aber Sie sind ausgestiegen, weil Sie schauen wollten, was es sonst noch gibt. Was haben Sie gesehen?
Ja das, wonach ich immer suche. Die Vielfältigkeit. Ich habe so ein unfassbares Glück, dass ich beinahe alle Facetten meines Berufes ausüben darf. Ich kann drehen, ich kann Theater spielen, ich mache Kabarett, ich mache liebend gerne Lesungen. Ich habe ein Musikprogramm. Die Zeit bei Soko möchte ich nicht missen, es war super, aber mein Leben war natürlich irgendwann sehr eingeschränkt. Und jetzt habe ich wieder diese Vielfalt. Ich kann jetzt mehr Gerichte von der Speisekarte kosten als vorher.