Johann Lafer | © STG | Jesse Streibl Johann Lafer | © STG | Jesse Streibl
💚-Botschafter

Johann Lafer

Johann Lafer ist der bekannteste Koch im deutschsprachigen Raum. Millionen Menschen sehen dem Meister bei seinen TV-Shows in die Töpfe. Der Herzbotschafter mit seinem geerdeten Wesen begeistert mit Bodenständigkeit, Kompetenz und Sympathie. Wir haben Johann Lafer dort getroffen, wo alles begann. In der Küche des traditionsreichen Grazer „Gösser Bräu“. Ein Gespräch über Heimat, guten Geschmack und den „Feinkostladen Österreichs“.

Da sitzen wir nun in der Gösser-Küche, dort wo alles begann. Was ist das für ein Gefühl - ein bisschen Sentimentalität dabei?

Es ist schon sehr bewegend. Man muss fairerweise sagen, dass die Küche vor 40 Jahren anders ausgesehen hat. Aber damals diese Entscheidung zu treffen, in diesem Haus eine Lehre zu machen, wo die Basis für meine weitere Entwicklung gescgaffeb wurde, war im Nachhinein gesehen die absolut richtige Entscheidung. Obwohl es damals nicht immer einfach war. Ich hatte viele Momente, wo ich mir nicht ganz sicher war, ob ich das, was ich jetzt lerne, auch bewusst lernen möchte. Es gab natürlich auch viele Dinge, die den Beruf in seiner Einfachheit dokumentieren. Aber nichtsdestotrotz, ich habe es geschafft, ich habe durchgehalten, meine Eltern haben mich dazu überredet, die Lehre fertig zu machen. Und im Nachhinein muss ich sagen: Gott sei Dank, ich bin darüber sehr glücklich. Sie war die Basis für alles Weitere!

Warum sind Sie Koch geworden, was war der Auslöser?

Mich haben eigentlich drei Dinge sehr interessiert. Einmal war ich stark in der Kirche in der Gemeinde St. Stefan engagiert, da habe ich viel gemacht, diese Gemeinschaft und diese Zusammengehörigkeit haben mich fasziniert. Das zweite war, dass mein Onkel ein ausgezeichneter Gärtner war. Ich habe schon immer gern im Garten gearbeitet, habe mich sehr für das Grüne interessiert. Aber letztendlich hat mich doch am meisten die Berührung mit meinen Eltern fasziniert, wenn es um das Produkt und die Kulinarik ging. Weil ich immer gemerkt habe, was uns eigentlich so täglich verbindet - es war das gemeinsame Essen. Und die Vorfreude darauf, was es zu essen gibt. Am Sonntag in der Kirche habe ich beim Verteilen der Hostie geholfen und dabei gedacht, was es bald zu essen gibt (lacht). Ja, es war irgendwie schon in mir, dass ich gemerkt habe, dass ich Lust am Essen habe und interessiert war, wie das Ganze entsteht.

Welche Faktoren waren für Ihren Erfolg ausschlaggebend?

Die Basis meines Seins ist die Herkunft. Nämlich, da bin ich aufgewachsen, da habe ich gemerkt, dass kein Tag, der da war, wiederkommt. Man muss jeden Tag aufs Neue versuchen, sich zu beweisen. Und bei allen Dingen, die ich heute manchmal erleben darf, sage ich immer – und das ist wirklich ein Spruch von mir, den ich nie vergessen werde: Ich bin in der Oststeiermark aufgewachsen und meine Mutter hat mir damals 500 Schilling mitgegeben, um in Berlin anzufangen. Und das, was ich heute erleben darf, ist daraus entstanden. Und deshalb weiß ich, dass es nicht nur Bäume gibt, die in den Himmel wachsen, es gibt auch Bäume, die manchmal umfallen oder auch kaputtgehen. Und das hat mich immer geerdet. Immer dankbar zu sein, ehrfürchtig zu sein, nachdenklich zu sein. Wo kommst du her? Was hast du einmal gehabt, was ist daraus geworden? Was könnte wieder werden? Ich habe immer versucht, mit offenem Herzen und sehr viel Leidenschaft und Liebe zum Detail alle Menschen in meinem Umfeld ernst zu nehmen. Eben dieses herzliche, dieses „Steirer mit Herz“, „Mensch mit Herz“ - das hat mich schon sehr für mein weiteres Leben begleitet und dafür bin ich sehr dankbar.

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„Die Steiermark bietet Erholung und Genuss“

Was ist das Wichtigste beim Kochen?

Beim Kochen ist es das Produkt. Das wird immer deutlicher. Das Produkt ist der Star. Also Lebensmittel – Mittel zum Leben sind die Voraussetzung für all das, was wir als Köche machen. Wir können aus einem schlechten Stück Fleisch kein gutes machen. Deswegen bin ich auch so dankbar, dass ich mitbekommen habe, dass man für Marillenknödel auch Marillen braucht. Und dass meine Mutter im April, wenn Frost kam, geweint hat, weil die Blüten abgefroren waren. Ich habe damals nicht verstanden, was sie so traurig gemacht hat. Aber sie konnte dann eben uns Kindern keine Freude machen mit Marillenknödeln. Das Zweite ist: Ich hatte kürzlich wieder das Vergnügen, die Wiener Philharmoniker zu sehen. Da wurde mir eines bewusst: In einer gewissen extremen Form sind so viele Kleinigkeiten am Ende für das Große und Ganze entscheidend. Und in der Küche ist es wirklich so. Das Produkt, und dann geht es los. Die Fürsorge in der Verarbeitung, die Liebe zum Detail. Natürlich der Geschmack, der nicht angeboren ist, sondern der wird anerzogen. Das war auch mein Glück, dass ich als Kind zumindest die Grundgeschmacksrichtungen kennenlernen durfte. Ich wusste dann genau, was ist ein guter Apfel, was ist ein gutes Sauerkraut. Ich habe gemeinsam mit meinen Schwestern das Sauerkraut getreten. Das war für mich damals nichts Besonderes, weil es lästig war. Aber wenn ich heute ein Sauerkraut zu mir nehme, dann denke ich immer an meine Zeit, wie es einmal geschmeckt hat. Das kannst du heute nicht mehr bekommen, weil diese Raffinesse, diese fürsorgliche Liebe zum Detail - das macht das große Ganze aus.

Welches Essen macht Sie glücklich?

Ich würde es jetzt nicht an einem Gericht festmachen. Essen ist etwas Intimes. Ich zeige das auch nicht gerne in der Öffentlichkeit, wenn ich selbst esse. Es ist etwas sehr Warmherziges, etwas sehr Emotionales. Da fühle ich mich, wie wenn ich einer Musik zuhöre. Ich mache die Augen zu und versinke in eine ganz andere Welt. Man muss alle Sinne ansprechen. Man muss sich wohlfühlen. Das entsteht automatisch, wenn ich etwas Gutes esse. Wenn der Kellner im Restaurant immer fragt, „wie schmeckt es denn?“, dann sage ich immer, hör auf zu fragen, schau einfach, ob jemand glücklich am Tisch sitzt, ob der lacht, ob der den Teller leergegessen hat. Man kann nicht gut essen und dabei böse gucken, das funktioniert nicht. Ich schätze immer das, was ehrlich ist. Es muss jetzt nichts Aufwendiges sein. Und wenn es nur – sagen wir – das Frankfurter Würstel am Hauptplatz ist, von dieser speziellen Fleischerei. Durch das so-oft-Essen damals habe ich in meinem Kopf eine Messlatte für Frankfurter Würstel gespeichert. Alles, was ich in der Form heute zu mir nehme, muss sich mit dem, was ich als Kind gelernt habe, messen lassen. Aus diesem Grund ist Erziehung zum Thema Kulinarik in der Kindheit elementar wichtig. Es ist auch Teil meiner Öffentlichkeitsarbeit, den Menschen beizubringen, dass Essen und Trinken wirklich etwas ganz Besonderes ist.

 

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Wie würden Sie Ihre kulinarische Philosophie kurz umreißen?

Wenn man 46 Jahre in diesem Beruf ist, dann vollzieht man einen Wandel, der nicht immer ganz reell ist. Warum? Weil es sehr viele Trends gibt. Man weiß, wo man herkommt, aber plötzlich weiß man auch, dass das, wo man herkommt, aktuell nicht das ist, was die Leute besonders schätzen. Da kommt plötzlich die „east-asiatische“, die „mediterrane“, die „new california“ oder die „japanische“ Cuisine. Man möchte dann ja auch nicht ganz so sein, dass man sagt, ich bin ja schon tot, es gibt immer das Schnitzel oder die Kartoffel. Man muss seinen Gästen auch was Neues bieten. Diesbezüglich habe ich schon einige Perioden durchgemacht. Aber alles in allem muss ich sagen, am Ende ist es immer das Gleiche: Es muss schmecken, es muss gut aussehen und das Essen sollte – und das ist mein neues Thema auch für mich selber - Inhaltsstoffe haben, die meinem Körper guttun. Nahezu 70 % der Krankheiten sind ernährungsbedingt.

Wie stark spürt man Verantwortung, wenn man für ein Millionen-Fernsehpublikum kocht in Sachen gesunde Ernährung. Wir wissen ja, dass unsere Gesellschaft sich adipös entwickelt. Auf gut Steirisch: Zu dick wird.

Ich habe das früher auch nicht so gesehen, ich hatte keinerlei Beschwerden und es hat mich daher nur am Rande interessiert. Der Leistungsdruck, das „Funktionieren müssen“, das alles hat mich natürlich sehr stark gefordert. Beispiel: Fuß tut weh, wo ist die nächste Schmerztablette? Aber das ist bei mir vorbei. Ich bin jetzt bald 66 Jahre alt und habe für mich einfach die Entscheidung getroffen, etwas zu ändern. Das fängt an beim Konsum von bestimmten Getränken, die manchmal zu viel waren. Das fängt an beim guten Essen, beim Frühstück, auf das man früher aus Zeitgründen verzichtet hat. Es geht dabei um regelmäßiges richtiges Essen mit den richtigen Lebensmitteln und vieles mehr. Das tut mir gut und das möchte ich auch meinen Mitmenschen weitergeben.

Der Trend geht zum veganen Essen – ist für Sie der Verzicht auf Fleisch denkbar?

Ja. Also ich habe aufgrund einer starken Arthrose im linken Knie samt Operation meine Ernährung umgestellt. Ich lebe heute zu 90 % pflanzlich und nur in Ausnahmefällen esse ich etwas, was mit Fleisch, Fisch, tierischem Eiweiß zu tun hat. Meine Ernährung ist heute etwas anders als ich noch Hansi aus der Steiermark war.

Wir zitieren Udo Jürgens - mit 66 Jahren, da fängt das Leben an, das sind Sie gerade - sehen Sie das auch so? Was haben Sie noch vor?

Was fängt mit 66 an? Man muss ja auch fairerweise seine Leistungsfähigkeit einschätzen können. Also wenn mir heute eine sagen würde, ich soll jetzt anfangen, Marathon zu trainieren, dann würde ich sagen – entschuldige, was soll der Schwachsinn? Aber ich würde z. B. gerne einmal zum Basislager vom Mount Everest gehen. Normal gehen, nicht bergsteigen, da habe ich keinerlei Erfahrung. Oder ich würde auch gerne einmal einen Teil vom Jakobsweg gehen. Das würde mir sehr gut gefallen, weil ich manchmal das Gefühl habe, man muss auch einmal weg von diesem ganzen Zirkus. Man braucht es manchmal, dass man wieder zu sich kommt und so normal bleibt wie damals als Kind in der Steiermark.

Es verschlägt Sie auf die berühmte einsame Insel. Welche drei Lebensmittel würden Sie mitnehmen?

Das ist ganz einfach. Ein geiles Bauernbrot, schön hart und gut, am besten aus Vollkorngetreide gebacken, Butter und Salz. Mehr brauche ich nicht. Ich liebe Butterbrot, damit kann man mir die größte Freude machen, wenn die Zutaten und die Qualität stimmt.

Kommen wir in die Steiermark: Wir firmieren ja unter „Feinkostladen Österreichs“. Unterschreiben Sie das?

Ja, das unterschreibe ich zu 100 %. Die Steiermark hat die Zeit genutzt, um die Dinge, die man kann und hat, weiterzuentwickeln. Das Kleinbauerntum spielt hier eine große Rolle. Mit dem Bewusstsein – Natur, Naturnähe. Das ist es heute, was die Steiermark auszeichnet. Wenn ich hierherkomme, dann bin ich in einem Land, wo es das gibt, was der Mensch braucht: Nämlich Luft zum Atmen, Ehrlichkeit, Herzlichkeit, gute Produkte – da bin ich dann da, wo ich hinwill. Wenn ich jemand bin, der jeden Tag an der Cote d‘Azur in die Disco will, dann bin ich in der Steiermark falsch. Aber wenn ich die wahren Werte eines Menschen zugrunde lege, nämlich Erholung und alles, was dazugehört - Genuss. Dann ist es das, was die Steiermark zu bieten hat. 

Freunde, die in die Steiermark kommen, bitten Sie um fünf Tipps, was Sie hier gesehen haben müssen.

Da tue ich mir sehr schwer, nur fünf Tipps zu geben. Die Steiermark ist ein Bundesland, wo man vom Dachstein-Gletscher bis zur Weinstraße an der slowenischen Grenze eine Bandbreite vorfindet, die es so kaum irgendwo gibt. Ich kann am Dachstein im Sommer in die Eishöhle gehen, in kann in Murau in den Wäldern Pilze suchen. Dann komme ich weiter runter und muss natürlich die Hauptstadt Graz besuchen. Dann gehe ich Wein probieren und ich kann in die ganzen oststeirischen Thermalbäder. Es gibt so viele Dinge, die sich entwickelt haben, die haben alle einen Fokus verdient.

Wie nehmen die Leute in Ihrem Umfeld in Deutschland die Steiermark wahr?

Sehr viele Menschen haben sich dazu entschieden, nicht mehr so große Fernreisen zu machen. Das hat etwas mit Geld zu tun aber auch mit der Ökologie, dem CO2-Ausstoß und vielem mehr. Sehr viele Leute lieben wieder dieses Ehrliche, Handfeste. Österreich ist in Deutschland ja Reiseland Nummer 1. Wichtig ist, dass man seine Eigenheit behält. Und die Steiermark hat eines immer gut verstanden: Ich höre von allen, die da waren – Mensch, die waren so nett, so freundlich zu mir. Das war so unkompliziert. Das „Grüß Gott“ hat mich berührt. Das war keine Floskel. Die Leute wollen das Überzüchtete nicht mehr, die wollen wieder Bodenständigkeit. 

Wie würden Sie einem Blinden die Steiermark beschreiben?

Ich würde die Steiermark-Karte nehmen und sie mit Bergen und verschiedenen Charakteren modellieren. Etwas, das man fühlen kann, wie z. B. Wasser oder Weinberge. Der Mensch soll so diese Vielfältigkeit spüren.

Stimmt das Gerücht, dass Sie sich in die Steiermark zurückziehen werden?

Ich werde einen Teil meiner Zeit in der Steiermark verbringen. Aber nur für meine persönliche Lebensfreude. Ich möchte dorthin, wo ich hergekommen bin. Ich möchte viele Momente, die mein Leben ausmachen, hier genießen. Heimat kann man nicht wegleugnen, Heimat ist so prägend. So emotional, so bedeutend. Meine Eltern und meine Schwester sind hier beerdigt, ich habe noch eine Schwester, die hier lebt. Das sind ja auch Ankerpunkte, die ich nie missen möchte. Ganz im Gegenteil: Das ist für mich das wahre Leben. Wenn ich immer wieder meine Heimatluft schnuppern darf und dabei den Genuss verspüre und die Weiterentwicklung der Steiermark mitbekommen kann, dann bin ich der glücklichste Mensch der Welt.

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Wordrap

Mit dem Hut in der Hand kommst durch‘s ganze Land.

Ist für mich die Gesundheit.

Immer zu wissen, woher man kommt.

Manchmal zu viel zu wollen und dabei den Überblick zu verlieren.

Ich hatte in meinem Leben viele Vorbilder und bin dafür sehr dankbar.

Picasso.

Wiener Schnitzel mit Kartoffel- und Häuptelsalat von meiner Mutter.

Ist für mich ein Landsmann aus Österreich – Eckart Witzigmann.

Ist für mich eine steirische Lederhosn mit einem schönen Jancker und einem wunderbaren Hemd. Und schöne Schuhe.

…meine Heimat, wunderbare Natur, mein Aufwachsen und das Prägen meiner Grundlagen.

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