Klaus Maria Brandauer | © STG | Jesse Streibl Klaus Maria Brandauer | © STG | Jesse Streibl
💚-Botschafter

Klaus Maria Brandauer

Klaus Maria Brandauer stand auf allen großen Bühnen dieser Welt, er schrieb Theatergeschichte und machte in Hollywood Karriere. Wir sprachen mit dem steirischen Schauspiel-Giganten über Altersmilde, dem ewigen Sehnsuchtsort Burgtheater, seine Liebe zu Altaussee und was dem Herzbotschafter der Ehrenring des Landes Steiermark bedeutet.

Sie sind das, was man einen Weltstar nennt. Wie lebt man eigentlich mit so einer Bezeichnung?

Ich kann damit nicht so richtig viel anfangen, ich bin Schauspieler, aus Altaussee, aus Österreich, aus Europa. Und ich hatte das Glück, dass ich einige große, internationale Filme machen durfte, mit ganz fantastischen Kolleginnen und Kollegen. Das macht mich aber nicht als der Mensch aus, der ich bin. Wenn ich am Morgen in den Spiegel schaue, dann denke ich gewiss an andere Sachen.

Sie beherrschen seit Jahrzehnten Theater und Film wie kein anderer Schauspieler. Wie schwierig oder wie leicht ist der Spagat, und wie steht´s mit Ihren Prioritäten?

Ehrlich gesagt mache ich beides sehr gern, aber ich weiß genau, dass es sich um zwei sehr unterschiedliche Dinge handelt. Im Theater kommt es darauf an, die Sachen in aller Klarheit zu denken und dann zu veröffentlichen, also das Publikum direkt mitzunehmen. Beim Film ist das anders, da muss man so gut wie möglich bei sich bleiben und der Kamera und der Regie vertrauen, dass die sich das Nötige abholen. Das ist etwas vollkommen anderes. Meine Priorität ist immer das, was ich gerade tue, jetzt, in diesem Moment, hier und jetzt. Weil ich gut sein möchte, sonst kann ich es gleich lassen. Und wenn ich mich grundsätzlich entscheiden müsste, dann wäre das nicht einfach, aber ich würde wohl das Theater wählen.

Worauf kommt es generell beim Schauspiel an, was macht einen großen Schauspieler aus?

Das ist eigentlich ganz einfach, aber wie alle einfachen Sachen nicht ganz einfach zu erklären. Ich muss etwas von mir selber in die Waagschale werfen können, es muss einen Bezug zu mir, zu meinem eigenen Leben geben. Ansonsten funktioniert das nicht, weil es für das Publikum komplett uninteressant bleibt. Talent ist das eine, aber es braucht dazu in der Tat noch Lebenserfahrung, mit welcher man das geschriebene und dann auch das gesprochene Wort anreichert. Und man muss auf diese Emotionen im entscheidenden Moment zurückgreifen können. Dann entsteht etwas, was groß und besonders ist und zwar jeden Abend neu. Mehr braucht es nicht und meistens läuft das alles auch ganz ruhig und automatisch so ab.

Ihren weltweiten Bekanntheitsgrad verdanken Sie zweifellos der Leinwand, die siebenfach Oscar-gekrönte Hollywood-Produktion ,,Jenseits von Afrika“ zählt zu den absoluten Film-Klassikern. Die Rolle als Gegenspieler von James Bond in ,,Sag niemals nie“ hat ebenso zu Ihrer Popularität beigetragen. Dennoch scheint Sie Hollywood nie besonders gejuckt zu haben. Wieso eigentlich?

Ich war damals  über das Angebot im James Bond mitzuspielen nicht sehr erfreut, eher im Gegenteil. Mit meinem Freund Istvan Sazbo hatte ich gerade Hanussen gedreht, eine komplexe, zutiefst europäische Geschichte über unsere Vergangenheit, ein weiterer Film mit ihm stand in Aussicht. Es war für mich ziemlich schwer zu akzeptieren, jetzt in so einer schwarz-weiß gezeichneten Kalter-Kriegs-Operette mitzuspielen. So ein klares Freund-Feind-Schema ist mir bis heute fremd geblieben. Ich habe also erstmal abgelehnt. Wie die Geschichte weiterging habe ich schon oft erzählt: Es war dann Sean Connery persönlich, der mich am Telefon erst überredet und dann überzeugt hat. Ich werde ihm ewig dankbar sein dafür, denn diese Rolle hat mir danach ermöglicht, wirklich auszusuchen, was ich machen möchte. Sean Connery wurde ein Lebensfreund, hat mich in Altaussee besucht und kam auch zum Jedermann nach Salzburg auf den Domplatz. Wenige Jahre später haben wir im damaligen Leningrad „Das Russland-Haus“ gedreht, wir sind stundenlang gemeinsam durch die Stadt gelaufen und am Set mussten sie immer wieder auf uns warten.

Klaus Maria Brandauer | © STG | Jesse Streibl
„Altaussee ist meine Heimat, da komme ich her, da gehöre ich hin“

Wie kamen Sie zur Schauspielerei?

Korvettenkapitän Renner war regelmäßig zu Gast in der Sommerfrische im Haus meiner Großeltern. Der hat mich sehr gemocht und der war auch der erste, der mich gesiezt hat. Und der hat mir immer wieder vom Burgtheater erzählt und er hat mich gefragt, was ich lese und was für Gedichte ich lerne. „Es wird Ihnen keiner besonders helfen, hier in Altaussee“ hat er gesagt. Da hat er recht gehabt. „Was willst du, zum Theater? Kannst du ohne Weiteres.“ Der Rest war viel Bestätigung von der einen Seite und manche Steine im Weg von der anderen Seite. Dank beidem bin ich meinen Weg gegangen.

Sie sind seit 50 Jahren Mitglied des Ensembles des Wiener Burgtheaters. Ein ewiger Sehnsuchtsort?

Sehnsuchtsort, ich bin mir nicht sicher - manche warnen ja vor den Sehnsüchten, die sich erfüllen. Das Burgtheater ist und bleibt aber meine künstlerische Heimat und darüber bin ich sehr froh. Ich bin ja schon sehr früh dort gelandet, wenn auch nicht als Anfänger. Die ersten Stufen der Leiter waren Tübingen, Salzburg, Düsseldorf und die Josefstadt. Als wir in den Achtzigern „Jenseits von Afrika“ gedreht haben bin ich zwischendurch immer wieder nach Wien zurückgeflogen um ein paar Vorstellungen Hamlet zu spielen. Das stand für mich außer Frage, ich spiele jetzt diese wichtige Rolle an diesem bedeutenden Haus, also muss das auch regelmäßig stattfinden, für das Publikum.

Sie leben mit Ihrer Familie in Wien und in Ihrem Geburtsort Altaussee. „Alles Wichtige erlebte ich in Altaussee“, sagten Sie im deutschen Fernsehen. Was müsste passieren, dass Sie der Heimat den Rücken kehren?

Das müsste so extrem sein, dass ich mir die Gedanken daran verbiete. Altaussee ist meine Heimat, da komme ich her und da gehöre ich hin. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, nicht mehr hier her zurück kommen zu können. Wenn die Wolken tief im Dachstein hängen und der Schnürlregen auf die Fensterbank trommelt, dann komme ich zur Ruhe und bin ganz bei mir. Das kann ich nur hier!

Es heißt, Journalisten haben sich vor Interviews mit Ihnen gedrückt. Weshalb musste man sich vor Ihnen fürchten? Sind Sie altersmilde geworden?

Niemand musste sich vor mir fürchten, wirklich nicht. Es ist im Laufe der Jahrzehnte sicher ein paar Mal vorgekommen, dass ich ein Gespräch vorzeitig beendet habe. Aber ich hatte dann immer einen guten Grund, zumindest in der Situation. Wenn einfach zu viel Spekulation im Spiel war oder wenn ich das Gefühl hatte, man will mir oder der von mir vertretenen Sache wirklich nicht Gutes, dann wurde ich sicher auch mal deutlich. Und gewiss war ich da auch ab und zu ungerecht. So ist es eben, die drei schief gelaufenen Interviews hängen einem Jahrzehnte lang an, die hunderten tollen Gespräche, die ich mit großartigen Leuten hatte, von denen redet kaum noch einer.

Wie begegnen die Einheimischen dem „großen Brandauer“ in Altaussee?

Der „große Brandauer“ war mein Onkel Hans, der war 1 Meter 89 cm groß und ein fabelhafter Laien-Schauspieler. Und als ich den ersten Jedermann gespielt habe, habe ich den Hansi mitgenommen und habe gesagt, ich möchte gerne, dass mein Onkel da mitspielt. Da hat er sich als Statist der Tischgesellschaft in der Schneiderei ein Kostüm ausgesucht. Mit einem großen Hut und einem Mantel, auf dem stand hinten „Curd Jürgens“ drauf. Er ist dann drei oder vier Jahre mit mir immer von Altaussee nach Salzburg gefahren.

Klaus Maria Brandauer | © STG | Jesse Streibl
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Was macht das steirische Salzkammergut aus? Wie würden Sie die Eigenheiten der dort lebenden Menschen bezeichnen? Sind Sie tatsächlich so hermetisch, wie es immer heißt?

Das fällt mir schwer zu beurteilen, da ich ja auch dazugehöre. Ich bin da ja ganz natürlich reingewachsen, da fällt einem nicht unbedingt auf, was besonders ist. Und wenn man lange oder weit weg ist, dann romantisiert man die Heimat natürlich. Es hat sich hier seit meiner Kindheit wirklich sehr viel geändert. Natürlich, die Welt hat sich weitergedreht und das ist ja gut so. Aber so ein Stammtisch, wie wir das hier lange Zeit hatten, ist heute kaum mehr wirklich hinzukriegen. Mit Originalen, mit älteren und jüngeren Leuten, die sich treffen und das ganze nachdenklich oder auch „streiterisch“ bereden, was in der Gemeinde so los ist. Wer mit wem streitet und warum. Und das Beste ist bei uns - und das ist wahrscheinlich im Rest der Steiermark auch nicht anders - was haben wir uns zu sagen, nach einem Streit? „Samma wieder guat“. Ich habe das sehr gern, man könnte sagen hart, aber herzlich. So bin ich ja auch manchmal.

Was Preise und Auszeichnungen betrifft, sind Sie ausdekoriert. Sie haben alle Würdigungen erhalten, die Kultur und Entertainment zu bieten haben. Die Steiermark hat Ihnen den Ehrenring verliehen, die höchste Auszeichnung, die das Land zu vergeben hat. Was bedeutet Ihnen der Ring?

Was soll ich sagen? Es ist eine Ehre und es freut einen. Ich war mein Leben lang viel unterwegs, aber mir war nie egal, was zu Hause passiert ist, also nicht nur im Persönlichen, in der Familie, auch im größeren Zusammenhang. Und wenn ich es für nötig gehalten habe, dann habe ich mich auch eingemischt. Wenn dann so etwas zurückkommt, dann ist das ein gutes Zeichen dafür, dass einiges richtig gelaufen ist.

Was haben Sie noch alles vor?

Ich habe gerade zwei größere Tourneen gemacht, mit Lesungsprojekten. In sehr großen Hallen, nur das Publikum im Saal und ich allein auf der Bühne. Das hat mir sehr große Freude gemacht, ich habe alles unter Kontrolle, aber es hängt auch alles von mir selber ab. Das wird auch noch weiter laufen, es gibt jede Menge Einladungen. Ich möchte sehr gern noch auftreten, und wenn sich auch am Burgtheater noch ein neues Stück ausgeht, dann habe ich auch nichts dagegen. Ich spüre schon eine gewisse Arbeitswut, mein Schreibtisch ist voll.

Worum geht es im Leben?

Um uns und dabei um den Versuch, nicht nur vom Ich zum Du zu kommen, sondern eher zum „Du, weißt Du was, sag es mir auch.“ Also jemanden finden, der einem etwas beibringt, der einen ein bisschen unterstützt, der einem etwas von sich erzählt – und auf diese Weise gemeinsam eine Riesengaudi haben. Und wenn wir zu zweit sind, dann suchen wir uns einen dritten. Und einen vierten. Und dann kommen wir sicher einmal zu spät nach Hause. Aber das macht nichts, das ist das Leben.

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