Nicole Schmidhofer | © STG | Jesse Streibl Nicole Schmidhofer | © STG | Jesse Streibl
💚-Botschafter

Nicole Schmidhofer

Nicole ,,Nici“ Schmidhofer zählte über viele Jahre zu den besten und erfolgreichsten alpinen Skirennläuferinnen. Der Weltmeisterin aus dem Lachtal gelang nach einer schweren Knieverletzung ein viel beachtetes Comeback. Derzeit glänzt sie als ORF-Expertin und Kamerafahrerin im Weltcup. Vor einiger Zeit verkündete die Herzbotschafterin ihren Abschied vom Weltcup-Zirkus. Wir sprachen mit der Obersteirerin über Glücksmomente, Tiefschläge und ein Leben nach dem Sport.

Sie haben 174 Weltcuprennen bestritten, waren Weltmeisterin und Weltcup-Gesamtsiegerin in der Abfahrt. Wie schwer ist Ihnen der Rücktritt gefallen? Und: Zu welchem Zeitpunkt trifft man so eine Entscheidung?

Das ist keine Entscheidung, die man von heute auf morgen trifft. Das ist ein Reifeprozess. Vom wirklich ersten Gedanken, als ich mich einmal hinterfragt habe, ob ich das noch will, bis es dann so weit war, hat es ein gutes Jahr gedauert. Dazwischen waren super Trainingstage, wo ich gewusst habe, nein, ich lebe für das Skifahren, ich brenne dafür, ich will das weitermachen. Im Jänner ist aber dann wirklich der Vorhang gefallen, wo ich gemerkt habe, wenn ich Richtung Netz fahren muss und wenn halt gewisse Situationen auf mich zukommen, wo es finster ist, wo ich mir schwertue, dass ich nicht mehr bereit bin, 100 Prozent zu geben. Und der endgültige Knackpunkt war dann in Cortina die Qualifikation für die Abfahrt. Es war sehr schlechte Sicht. Und ich habe bei den zwei Sprüngen komplett rausgenommen und davor richtig abgebremst, weil ich mir gedacht habe „Nein, das ist es nicht mehr wert.“ Dann bin ich im Ziel gestanden, ich war sehr enttäuscht, dass ich dann eh ganz knapp die Quali nicht geschafft habe. Aber da habe ich gewusst „Das war es jetzt“. Weil zum Rennen gewinnen und halbwegs vorn mitzufahren, muss man einfach vom Start bis zum Ziel alles geben können. Und das will ich nicht mehr. Meinem Knie und meinem Körper geht es ziemlich gut. Skifahren ist etwas Schönes, aber anscheinend sind mein Körper und ich bereit für etwas Neues.

Ihre Karriere war geprägt von zahlreichen Höhepunkten, aber auch von Tiefschlägen wie der folgenschwere Sturz 2020 bei der Abfahrt in Val-d'Isère. Woraus lernt man mehr?

Meistens aus den Rückschlägen, weil sie ein bisschen präsenter sind. Ich bin sehr schnell sehr groß geworden, sage ich jetzt einmal unter Anführungszeichen. Ich war nur ein Jahr im Nachwuchs, habe dann bei der Junioren-WM 2007 alles gewonnen und habe dann auch meine ersten Europacup- und Weltcup-Einsätze bekommen. Ich habe gleich beim ersten Weltcup-Einsatz Punkte gemacht. Ich bin sofort in die Weltcup-Mannschaft gekommen, das ist so schnell gegangen, dass ich eigentlich gar nicht gesehen habe, was da passiert und was auf mich zukommt. Ich war wahrscheinlich gar nicht bereit dafür. Das ist, wie wenn du in der ersten Hauptschulklasse total viel kannst und dann gleich in der vierten Klasse weitermachst. In dieser Zeit ist mir ein bisschen der Lernprozess abgegangen. Und dann sind natürlich so kleine Rückschläge gekommen, als ich dann einmal nicht im Kader war. Da habe ich mich dann gefragt „Will ich eigentlich Skifahren, ist es das, was ich wirklich will?“. Es hat sich dann für mich eindeutig herausgestellt, ja, ich probiere das noch einmal, ich gebe alles dafür. Und es hat sich, wie man gesehen hat, sehr gut ausgezahlt. Im Nachhinein war das Jahr für mich ganz wichtig, weil ich gelernt habe, was es bedeutet, Skifahrerin zu sein, welches Privileg es ist. Es war auch wichtig, abzuschätzen, wer es ehrlich mit mir meint und wer nur im Erfolg da ist. Die wenigsten sind da, wenn es nicht läuft. Ich habe aus den Rückschlägen viel mitgenommen, damit ich mit dem Erfolg auch umgehen kann. Man braucht Erfolg und Niederlagen, um gesettelt im Leben zu sein.

Sie sind eine Downhill-Legende, eine Speed-Queen. Mut konnte man Ihnen nie absprechen. Bei der Speedski-WM knackten Sie eine Schallmauer und halten immer noch den österreichischen Rekord mit 217 km/h. Wo liegen für Sie die Grenzen der Vernunft, wo hat das Risiko ein Ende?

Ja, damals habe ich nicht gar so viel Vernunft gehabt (lacht). Viele haben mir abgeraten, den Speed-Rekord zu versuchen. Ich glaube, dass das damals der perfekte Zeitpunkt dafür war. Ich war in einer sehr guten Form, ich war mental bereit dafür. Zuvor hatte ich die Abfahrts-Weltcup-Kugel gewonnen. Ich war zwar ein bisschen müde von der Saison, aber in einer Bombenform. Ja, es ist ein Hochrisikosport, aber es ist einfach so ein wahnsinniges Gefühl, da hinunterzufahren. Das war es auf jeden Fall wert. Vielleicht ergibt sich ja die Möglichkeit, das noch einmal zu machen. Das ist im Hinterkopf, ob es dann wirklich in den nächsten Jahren wieder dazu kommt, muss man schauen. Ein Auge schielt schon ein bisschen in diese Richtung, weil es schon eine sehr interessante Sportart ist.

An Ihr Abschiedsrennen in Andorra wird man sich noch lange erinnern. Sie schwangen stilvoll mit Lederhose, Steirerjacke und Zipfelhaube ab. Eine Hommage an Ihre Heimat?

Selbstverständlich. Da ist alles ein bisserl dabei. Die Zipfelhaube in Grün gehalten wegen der Steiermark. Es gab früher einmal einen Physiotherapeuten, der sagte immer „Schmid-Zwerg“ zu mir. Als ich dann das erste Mal im Weltcup auf das Podest gefahren bin, war dann die Titelseite „Schmid-Zwerg ganz groß“. Deshalb ist das auch ein wenig geblieben. Daher auch die Zwergen-Zipfelmütze. Und dann die Lederhose. Viele haben geglaubt, ich komme mit dem Gewand vom Musikverein – auf diese Idee bin ich gar nicht gekommen. Ich bin sehr gerne in Tracht unterwegs, das verbindet mich mit der Heimat. Damit schaut man immer gut aus. Mit einem Dirndl oder einer Lederhose ist man gleich einmal gut angezogen. Und es ist doch schön, wenn man die Heimat auf der ganzen Welt vertreten darf.

Schon eine endgültige Lebensplanung für die Zeit nach dem Rennsport?

Ein Bereich, in dem ich unbedingt etwas machen möchte, ist der Reha-Bereich. Das ist aber leider derzeit etwas aufgeschoben. Ich habe da sehr viel gesehen, als ich selbst in Tobelbad in der Reha-Klinik war. Ich würde gerne dort Vorträge halten, weil ich glaube, dass ich den Leuten extrem viel mitgeben kann. Man muss selbst sieben, acht Wochen dort sein, um zu sehen, wie das ist. Man muss lernen, die Leute einzuschätzen und kennenzulernen. Mir ist aufgefallen, dass viele nach der Reha heimgehen und dann sagen „Ja, die Reha war eh schön, aber gebracht hat sie mir nicht so viel“. Wenn ich dann aber sehe, wie wenig sie die Zeit ausgenutzt haben, gibt mir das zu denken. Sie hätten viel mehr rausholen können, wenn sie die ganze Zeit viel mehr Gas gegeben hätten. Vielleicht hätten sie dann gar nicht so lange bleiben müssen. Vielleicht ginge es ihnen dann danach besser.

Nicole Schmidhofer | © STG | Jesse Streibl
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„Vom Gletscher bis zum Wein hat die Steiermark alles“

Auch das Podcast-Projekt „Wos dahinter steckt“ mit Ihrer ehemaligen Zimmerkollegin Conny Hütter möchten Sie weiter entwickeln. Sie sind kompetent und goschert, sagen die Leut'. Ein Erfolgsrezept?

Kann sein. Ich bin ein Gasthauskind und habe das Glück, dass ich ganz gut reden kann. Mit der Conny gemeinsam ist das für mich sehr einfach, weil wir uns wirklich gut ergänzen. Wir wollen damit sehr viele Dinge, die im Hintergrund laufen, nach vorne bringen. Es ist alles auf Skifahren, auf Rennfahren bezogen. Bei Fernsehinterviews dreht es sich eigentlich immer um das Gleiche, man hat oft nur maximal 1-2 Minuten Zeit. Aber es gibt so viele Sachen, die im Hintergrund ablaufen und die wichtig sind, damit wir schnell sind, damit wir Rennen gewinnen können. Wir wollen das auf jeden Fall noch in den nächsten Jahren so weitermachen.

Stichwort Klimakrise: Machen Sie sich eigentlich Sorgen um den Skisport?

Nein, eigentlich wenig, weil ich denke, dass es Skifahren immer geben wird. Es kann sein, dass sich die Art und Weise verändert. Die Zeiten, wann die Rennen stattfinden, wird sich verändern. Man hat in den letzten Jahren gesehen, dass sich alles ein bisschen nach hinten hinausschiebt und dass man ein wenig in die Höhe gehen muss. Aber Skifahren wird es vor allem in Österreich immer geben. Wir leben davon, in unserem Land ist es ein großer touristischer Faktor.

Was würde Sie abseits von Skipisten noch reizen? Lizz Görgl singt, Michaela Kirchgasser tanzt, Anna Veith modelt.

Ja, und die Nici Schmidhofer macht einen Podcast und würde gerne die Reha-Sachen machen. Ich würde gerne für Leute Ansprechpartner sein, würde gerne jungen Athletinnen weiterhelfen. Wirtin mach' ich nicht, das macht meine Schwester schon sehr gut.

Hat die Redaktion von Dancing Stars schon angerufen?

Ich habe schon einmal eine Anfrage bekommen, ja. Aber ich musste absagen, weil ich bin ja noch skigefahren. Das war eine witzige Geschichte. Ich habe den Danilo Campisi kennengelernt und der hat gesagt „ja, wir tanzen einmal“. Da habe ich Nein gesagt. Er hat mich aber trotzdem vorgeschlagen. Auf die Mail habe ich dann zurückgeschrieben „Danke, aber ich bin noch aktiv.“ Mit meinem Knie und meiner Vorgeschichte wird Dancing Stars ganz, ganz schwierig werden.

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Sie sind Schlagzeugerin beim Musikverein Schönberg-Lachtal. Schon einmal daran gedacht, in einer Rock-Band zu trommeln?

Rock-Band jetzt einmal nicht, aber mit einer Freundin, der Chrissi Neubauer, bin ich ein bisschen unterwegs und wir machen Akustik-Musik. Sie spielt auf der „Quetschn“ und ich mit den „Löffln“ dazu. Wir spielen auch moderne Sachen. Braucht man auch ein bisschen zum Ausgleich, das passt gut.

Wenn Sie eine berühmte Band für einen Song hinter das Schlagzeug bitten würde,

welcher wäre es?

Bon Jovi, „Living on a prayer“. Der geht immer, der ist der Beste.

Sie sind tief mit Ihrer Heimat verwurzelt und den Menschen der Region verbunden. Hätten Sie jemals woanders als am Lachtal leben wollen?

Ich habe einmal eine Zeit lang in Salzburg gelebt. Dreieinhalb Jahre lang, aber immer nur im Sommer, weil ich war dort beim Bundesheer stationiert. Das war trainingstechnisch die beste Lösung für mich. Ich konnte es mir dann aber nicht mehr leisten, weil ich nicht mehr im Kader war. Ich bin dann wieder zurück nach Hause und habe festgestellt, dass ich hier eigentlich auch alles habe. Also ich habe die Berge um mich, ich habe im Sommer alle Trainingsmöglichkeiten. Aus diesem Grund hat sich die Frage dann gar nicht mehr gestellt. Am meisten daheimgehalten haben mich die Familie und der Musikverein. Auch als ich im Sommer in Salzburg gelebt habe, bin ich jedes Wochenende heimgekommen. Zum „Musi-Spielen“ bei Zeltfesten oder bei kirchlichen Veranstaltungen.

Was macht die Region Murau-Murtal aus?

Du hast hier eigentlich alles. Du hast von der Ruhe am Berg über den See bis zum actionreichen Spielberg oder dem „Nocky-Flitzer“ auf der Turrach alles abgedeckt. Bei uns kannst du super golfen, Mountainbiken, Radfahren, schwimmen. Wir sind eine sehr vielseitige Region. Und eine Gegend, die noch nicht so überlaufen ist, wo man noch sehr gut runterkommen kann und die sehr familienfreundlich ist.

Wenn Sie Gäste zu Besuch hätten, die noch nie in der Steiermark waren, was sollten sie im Land sonst noch gesehen haben außer dem Lachtal?

Das ist eine schwierige Frage, weil es so viele schöne Sachen gibt und ich selber noch nicht alles gesehen habe, was ich gerne sehen würde. Ich würde mich da nicht auf eine Region beschränken. Ich glaube, dass jede Region für sich Spezialitäten hat, die sehenswert sind. Ihr müsst einfach öfter kommen, damit ihr alles gesehen habt.

Was hat die Steiermark, was andere Bundesländer nicht haben?

Das ist eine gute Frage. Vom Gletscher bis zum Wein eigentlich alles. Du kannst am Dachstein langlaufen, wir haben sehr guten Wein, wir haben super Schokolade. Wir haben das Kürbiskernöl. Wir sind sehr gastfreundlich und aufgeschlossen, würde ich sagen. In Österreich ist es allgemein schön, Urlaub zu machen, aber wir sind nicht umsonst das „Grüne Herz“ Österreichs. Es ist für jeden etwas dabei.

Worauf freuen Sie sich?

Auf die vielen Sachen, bei denen ich in den letzten 15 Jahren immer gesagt habe „Wenn ich einmal nicht mehr Ski fahre, dann mache ich das“. Das versuche ich, jetzt alles nachzuholen. Am meisten freue ich mich auf viel Freizeit mit der Familie und mit Freunden.

Nicole Schmidhofer | © STG | Jesse Streibl
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Wordrap

Sei dankbar für das, was du hast, während du dafür arbeitest, was du willst.

Ganz etwas Wichtiges.

Ehrgeiz.

Überstürztes Handeln.

Nein.

Unsichtbar sein.

Gibt es viele. Kann ich keine Einzelne nennen.

Von Mozart bis zu Tsching-Bum.

Steak.

Oida.

Kürbiskernöl.

Meine Heimat. Und das ist das Wichtigste, was man haben kann.

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