Sie haben 174 Weltcuprennen bestritten, waren Weltmeisterin und Weltcup-Gesamtsiegerin in der Abfahrt. Wie schwer ist Ihnen der Rücktritt gefallen? Und: Zu welchem Zeitpunkt trifft man so eine Entscheidung?
Das ist keine Entscheidung, die man von heute auf morgen trifft. Das ist ein Reifeprozess. Vom wirklich ersten Gedanken, als ich mich einmal hinterfragt habe, ob ich das noch will, bis es dann so weit war, hat es ein gutes Jahr gedauert. Dazwischen waren super Trainingstage, wo ich gewusst habe, nein, ich lebe für das Skifahren, ich brenne dafür, ich will das weitermachen. Im Jänner ist aber dann wirklich der Vorhang gefallen, wo ich gemerkt habe, wenn ich Richtung Netz fahren muss und wenn halt gewisse Situationen auf mich zukommen, wo es finster ist, wo ich mir schwertue, dass ich nicht mehr bereit bin, 100 Prozent zu geben. Und der endgültige Knackpunkt war dann in Cortina die Qualifikation für die Abfahrt. Es war sehr schlechte Sicht. Und ich habe bei den zwei Sprüngen komplett rausgenommen und davor richtig abgebremst, weil ich mir gedacht habe „Nein, das ist es nicht mehr wert.“ Dann bin ich im Ziel gestanden, ich war sehr enttäuscht, dass ich dann eh ganz knapp die Quali nicht geschafft habe. Aber da habe ich gewusst „Das war es jetzt“. Weil zum Rennen gewinnen und halbwegs vorn mitzufahren, muss man einfach vom Start bis zum Ziel alles geben können. Und das will ich nicht mehr. Meinem Knie und meinem Körper geht es ziemlich gut. Skifahren ist etwas Schönes, aber anscheinend sind mein Körper und ich bereit für etwas Neues.
Ihre Karriere war geprägt von zahlreichen Höhepunkten, aber auch von Tiefschlägen wie der folgenschwere Sturz 2020 bei der Abfahrt in Val-d'Isère. Woraus lernt man mehr?
Meistens aus den Rückschlägen, weil sie ein bisschen präsenter sind. Ich bin sehr schnell sehr groß geworden, sage ich jetzt einmal unter Anführungszeichen. Ich war nur ein Jahr im Nachwuchs, habe dann bei der Junioren-WM 2007 alles gewonnen und habe dann auch meine ersten Europacup- und Weltcup-Einsätze bekommen. Ich habe gleich beim ersten Weltcup-Einsatz Punkte gemacht. Ich bin sofort in die Weltcup-Mannschaft gekommen, das ist so schnell gegangen, dass ich eigentlich gar nicht gesehen habe, was da passiert und was auf mich zukommt. Ich war wahrscheinlich gar nicht bereit dafür. Das ist, wie wenn du in der ersten Hauptschulklasse total viel kannst und dann gleich in der vierten Klasse weitermachst. In dieser Zeit ist mir ein bisschen der Lernprozess abgegangen. Und dann sind natürlich so kleine Rückschläge gekommen, als ich dann einmal nicht im Kader war. Da habe ich mich dann gefragt „Will ich eigentlich Skifahren, ist es das, was ich wirklich will?“. Es hat sich dann für mich eindeutig herausgestellt, ja, ich probiere das noch einmal, ich gebe alles dafür. Und es hat sich, wie man gesehen hat, sehr gut ausgezahlt. Im Nachhinein war das Jahr für mich ganz wichtig, weil ich gelernt habe, was es bedeutet, Skifahrerin zu sein, welches Privileg es ist. Es war auch wichtig, abzuschätzen, wer es ehrlich mit mir meint und wer nur im Erfolg da ist. Die wenigsten sind da, wenn es nicht läuft. Ich habe aus den Rückschlägen viel mitgenommen, damit ich mit dem Erfolg auch umgehen kann. Man braucht Erfolg und Niederlagen, um gesettelt im Leben zu sein.
Sie sind eine Downhill-Legende, eine Speed-Queen. Mut konnte man Ihnen nie absprechen. Bei der Speedski-WM knackten Sie eine Schallmauer und halten immer noch den österreichischen Rekord mit 217 km/h. Wo liegen für Sie die Grenzen der Vernunft, wo hat das Risiko ein Ende?
Ja, damals habe ich nicht gar so viel Vernunft gehabt (lacht). Viele haben mir abgeraten, den Speed-Rekord zu versuchen. Ich glaube, dass das damals der perfekte Zeitpunkt dafür war. Ich war in einer sehr guten Form, ich war mental bereit dafür. Zuvor hatte ich die Abfahrts-Weltcup-Kugel gewonnen. Ich war zwar ein bisschen müde von der Saison, aber in einer Bombenform. Ja, es ist ein Hochrisikosport, aber es ist einfach so ein wahnsinniges Gefühl, da hinunterzufahren. Das war es auf jeden Fall wert. Vielleicht ergibt sich ja die Möglichkeit, das noch einmal zu machen. Das ist im Hinterkopf, ob es dann wirklich in den nächsten Jahren wieder dazu kommt, muss man schauen. Ein Auge schielt schon ein bisschen in diese Richtung, weil es schon eine sehr interessante Sportart ist.
An Ihr Abschiedsrennen in Andorra wird man sich noch lange erinnern. Sie schwangen stilvoll mit Lederhose, Steirerjacke und Zipfelhaube ab. Eine Hommage an Ihre Heimat?
Selbstverständlich. Da ist alles ein bisserl dabei. Die Zipfelhaube in Grün gehalten wegen der Steiermark. Es gab früher einmal einen Physiotherapeuten, der sagte immer „Schmid-Zwerg“ zu mir. Als ich dann das erste Mal im Weltcup auf das Podest gefahren bin, war dann die Titelseite „Schmid-Zwerg ganz groß“. Deshalb ist das auch ein wenig geblieben. Daher auch die Zwergen-Zipfelmütze. Und dann die Lederhose. Viele haben geglaubt, ich komme mit dem Gewand vom Musikverein – auf diese Idee bin ich gar nicht gekommen. Ich bin sehr gerne in Tracht unterwegs, das verbindet mich mit der Heimat. Damit schaut man immer gut aus. Mit einem Dirndl oder einer Lederhose ist man gleich einmal gut angezogen. Und es ist doch schön, wenn man die Heimat auf der ganzen Welt vertreten darf.
Schon eine endgültige Lebensplanung für die Zeit nach dem Rennsport?
Ein Bereich, in dem ich unbedingt etwas machen möchte, ist der Reha-Bereich. Das ist aber leider derzeit etwas aufgeschoben. Ich habe da sehr viel gesehen, als ich selbst in Tobelbad in der Reha-Klinik war. Ich würde gerne dort Vorträge halten, weil ich glaube, dass ich den Leuten extrem viel mitgeben kann. Man muss selbst sieben, acht Wochen dort sein, um zu sehen, wie das ist. Man muss lernen, die Leute einzuschätzen und kennenzulernen. Mir ist aufgefallen, dass viele nach der Reha heimgehen und dann sagen „Ja, die Reha war eh schön, aber gebracht hat sie mir nicht so viel“. Wenn ich dann aber sehe, wie wenig sie die Zeit ausgenutzt haben, gibt mir das zu denken. Sie hätten viel mehr rausholen können, wenn sie die ganze Zeit viel mehr Gas gegeben hätten. Vielleicht hätten sie dann gar nicht so lange bleiben müssen. Vielleicht ginge es ihnen dann danach besser.