Das ehemalige Kollegium verbirgt den größten Innenhof der Stadt.
Studium, Disziplin, Einkehr. Ganz eindeutig vermittelt das in geradliniger Architektur gebaute Priesterseminar seinen Zweck. Im weitläufigen Innenhof spürt man den Atem der Geschichte und es ist nachvollziehbar, warum das Gebäude nach der Aufhebung des Jesuitenordens durchwegs erzieherischen Zwecken diente – es beherbergte eine Schule, eine Kaserne und sogar ein Gefängnis. Heute dient es wieder der katholischen Kirche, der Innenhof gelegentlich auch heiteren Theater- und Konzertveranstaltungen in Graz.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Steiermark weitgehend protestantisch. Der katholische Landesfürst, Erzherzog Karl II., brauchte die Unterstützung des Adels im Kampf gegen die osmanischen Türken. Was Toleranz in Glaubensfragen zur Folge hatte.
Als die Adeligen eine protestantische Schule gründeten, sah sich Karl gezwungen, zumindest im Bildungsbereich entgegenzusteuern. 1572 berief er den Jesuitenorden nach Graz, der sofort seine Lehrtätigkeit aufnahm und mit dem Bau eines Kollegiums begann. 1585 erfolgte die Gründung der Jesuitenuniversität. 1600 wurden die protestantischen Bürger von Erzherzog Ferdinand des Landes verwiesen. 200 Jahre lang prägten die Jesuiten Religion und Bildung in Graz.
Das von Vinzenz de Verda errichtete Kollegium war bis ins 19. Jahrhundert baulich mit der Ordenskirche der Jesuiten, dem heutigen Dom verbunden. Während der 1.300 m² umfassende Hof noch vom Renaissancestil der Entstehungszeit geprägt ist, bietet das Innere Schmuckstücke des Barock. Insbesondere die sogenannte Prunkstiege - ein eher schmales, ursprünglich bescheidenes Treppenhaus, das um 1712 mit Stuck und Bildern mit Sinnsprüchen üppig ausgestaltet wurde.
An das Priesterseminar schließt die Alte Universität an. Sie wurde 1609 von Erzherzog Ferdinand (später Kaiser Ferdinand II.) eröffnet. Die Wappen Ferdinands und seiner bayrischen Gattin zieren noch heute das Gebäude. Im Erdgeschoß befanden sich Vorlesungsräume, darüber eine Aula und ein Theatersaal, die unter Maria Theresia in einen riesigen Bibliothekssaal im Stil des Rokoko umgewandelt wurden.
Verschiedensten Zwecken diente das Gebäude nach Auflösung des Ordens 1773. Als Schule, als Gefängnis, als Verwaltungsgebäude, als Kaserne. Heute beherbergt es wieder hauptsächlich kirchliche Institutionen, wie das Priesterseminar und das Diözesanmuseum.
Übrigens: Man mag dies als Zeichen der Versöhnung ansehen: Im Gebäude des ehemaligen Jesuitenkollegiums, der einstigen Hochburg des Katholizismus, fand im Jahr 1792 der erste evangelische Gottesdienst in Graz nach Erlassung des Toleranzpatents statt.